Donnerstag, 13. Dezember 2012

Türchen 13



Willkommen zu Türchen Nr.13. Es gibt etwas süßes Kleines und ich hoffe es gefällt euch.^^





Aber bitte mit Zuckerguss!




Ich bin verzaubert, ich kann es nicht anders sagen. Nichts anderes könnte es besser beschreiben als das; verzaubert.

Von dir, von deiner ganzen Art und vor allem von deinem Lächeln.

Jungenhaft, leicht schief. Es lässt deine Augen funkeln, dein ganzes Gesicht erstrahlen und mein Herz schneller schlagen.

Jedes Mal.

Immer wenn du es mir schenkst.

Was, wie ich bemerken will, leider viel zu selten geschieht, denn allzu oft sehen wir uns nicht.

Nur einmal am Tag.

Wenigstens einmal am Tag, sage ich mir immer wieder, besser als nichts.
Du kommst jeden Morgen um halb acht in die kleine Bäckerei, in der ich arbeite, und bestellst einen Coffee-to-go und ein Gebäckteilchen an jedem Montag, Mittwoch und Samstags. An den anderen Tagen belegte Brötchen.

Dabei weiß ich schon jetzt, was du gerne magst und was nicht.
Du liebst den frischen Streuselkuchen, dann, wenn er noch warm ist.
Brötchen mit rohem Schinken, die mit gekochtem rührst du nicht an.

Am Wochenende kommst du herein und kaufst immer vier Brötchen. Normale, ohne Mohn, Sesam oder anderen Körnern.

Für wen?
Nur für dich oder gibt es jemanden, der zu Hause auf dich wartet, um mit dir zu frühstücken?

Eine Frau?
Ein Mann?

Ich würde es gerne wissen, doch mehr als: „Was darf's denn sein?“ und „Einen schönen Tag“, haben wir noch nicht gewechselt.

Deine Stimme klingt dabei warm, leicht kratzig und immer spielt dieses Lächeln um deine Lippen.
Lenkt meinen Blick dorthin, hält ihn gefangen.
Gemeines Lächeln.
Ein Lächeln, das mich für die nächsten Stunden leicht schweben lässt. Mich immer wieder zum Träumen verlockt, sobald sich meine Gedanken zu dieser Erinnerung verirren. Was sie leider viel zu oft tun.

Ich bin ein verliebtes Schaf – eindeutig. Und an allem ist nur dieses Lächeln schuld.

Ich sollte es hassen. Es stellt meine Welt auf den Kopf. Meine schöne geordnete Welt, in der ich sonst immer pünktlich um sechs im Laden stehe, um später alleine in meine Wohnung zurückzukehren. Mich am Abend vielleicht noch mit Freunden treffe und schließlich alleine ins Bett falle.

Doch jetzt ist es anders.

Wenn ich aufwache, spring ich aus dem Bett und beeile mich, ich würde es nicht ertragen, dich und dieses Lächeln zu verpassen. Was Quatsch ist, schließlich kommst du immer erst anderthalb Stunden später.

Dort stehe ich dann, lasse die Tür nicht aus den Augen und warte darauf, dass du den Laden betrittst, um ihn dann meist keine fünf Minuten später wieder zu verlassen.

Mein Highlight des Tages. Lächerlich und erbärmlich.

Gehe ich abends dann doch noch aus, hoffe ich immer, so absurd es auch sein mag, dich irgendwo zu entdecken.
Im Kino, in der Kneipe, in irgendwelchen Clubs, oder selbst im Supermarkt, aber es passiert nicht. Nie!

Als hätte dich die Welt verschluckt und würde mir nur um halb acht am Morgen einen Blick auf dich gestatten.

Und so schlafe ich schließlich mit den Bildern in meinem Kopf ein, träume, wenn ich Glück habe von dir und dann...

Tägliche grüßt das Murmeltier.

Dabei wollte ich es gar nicht. Ich wollte nicht verzaubert werden, habe bestimmt nicht darum gebeten und ich wünschte mir, es möge vergehen. Genauso plötzlich verschwinden, wie es gekommen war. Dieses Gefühl, nicht du.
Du sollst bitte auch weiterhin täglich in den Laden kommen, damit ich dich ansehen kann, aber das Gefühl, dieses eigenartige Kribbeln, diese Nervosität soll verschwinden. Es ist lästig und unangebracht.

Ich mache mir auch gar keine Illusionen. Wahrscheinlich schenkst du dein Lächeln jedem x-Beliebigen.

Der Gedanke tut weh, verursacht ein gemeines Ziehen in meinem Magen. Dabei hatte der sich gerade wieder beruhigt, denn meine Dosis Lächeln hast du mir heute schon verabreicht.

Samstag; ein Plunderteilchen mit extra dick Zuckerguss auf dem Rand. Du liebst Zuckerguss. Am Anfang hast du immer auf das Stück gezeigt und darum gebeten, auf dem der meiste drauf war.
Jetzt suche ich es schon vorher aus, verwahre es und bekomme ein Lächeln dafür.

Ein Extralächeln nur für mich. Doch auch das ist für heute schon verbraucht. Ein Blick auf die Uhr verspricht nur noch einen trostlosen langen Abend und eine noch freudlosere Nacht.

Den Weihnachtsmarktbummel mit meinen Freunden hab ich abgesagt. Heika und Jörn, Pete und Mona, Samir und Mark. Pärchen, glückliche, verliebte Pärchen kurz vor Weihnachten, die mir unabsichtlich mein Defizit vor Augen führen – meine Einsamkeit.
Nein, dann verkriech ich mich lieber in meiner Wohnung, trink dort Tee und schlaf wie immer früh.

Das kleine Glöckchen über der Tür kündigt den nächsten Kunden an und wie ich hoffe auf den letzten. Noch zehn Minuten dann ist endlich Feierabend.
Eine alte Dame betritt den Laden. Sie bringt kalte Luft, einige verirrte Schneeflocken und Matsch mit hinein. Ihre Miene ist mürrisch, ihr Tonfall barsch. Ich kann sie sogar verstehen. Es ist schon spät und das Wetter wird stündlich schlechter. Insgeheim verfluche ich Katinka, meine Kollegin, die an mein weiches Herz appelliert und mir somit eine Doppelschicht aufgeschwatzt hat. Ihr Kleiner habe heute Weihnachtsfeier im Kindergarten und Lotta – Kollegin Nummer Zwei – die heute eigentlich für sie übernehmen wollte, ist leider krank. Natürlich konnte ich nicht Nein sagen.

Und so zwing ich mich zu einem freundlichen Gesichtsausdruck. Höre mir das Gemecker der Frau an, die sich über die magere Auswahl beklagt und packe ihr schlussendlich zwei Stück Kirschstreusel und ein Stück Moccasahne ein. Sie hat Glück, es ist das letzte. 

Sie reicht mir gerade das abgezählte Kleingeld, als mein Blick erneut zur Tür gleitet. Aus Gewohnheit, wie ich es immer tue, wenn jemand den Laden betritt, und lasse beinahe die Münzen fallen.

Zweimal an einem Tag. Du bist noch nie zweimal an einem Tag hier gewesen.

Doch da bist du. Schneeflocken glitzern in deinen braunen Haaren, die Lichter der Weihnachtsdeko über dem Eingang, fangen sich in einigen Strähnen, zaubern ein kleines Flammenmeer hinein. Du trägst immer noch den dicken grünen Parker, die blaugraue Jeans und schwarze Winterboots, wie heute morgen.

Ich sehe schnell weg, aus Angst dich anzustarren, aber dein Lächeln kann ich auch so erahnen.

Dadum, dadum, dadum, mein Herz beginnt zu rasen. Mein Blick überfliegt die Auslage.

Berlinerballen, Amerikaner, Nussecken, Stollen und noch ein Spritzkuchen.

Ich kenne deine Wahl und bin froh, dass sich die Frau, die nun den Laden verlässt, doch für die Torte und gegen den Spritzkuchen entschieden hat. Ausweichmöglichkeit wären nur die Amerikaner, aber die sind dir sonst immer zu trocken.

Du kommst auf mich zu, ein kurzes Grinsen, dann senkst du deinen Blick und musterst ebenfalls die Auswahl.

„Was darf's sein?“, spule ich die Platte ab und versuche mich ebenfalls an einem Lächeln.

Verzaubern, warum kann ich das nicht?

Unschlüssig stehst du da, während meine Finger unbewusst mit der Gebäckzange spielen.

„Nicht mehr viel da, hm?“, murmelst du und siehst auf. Nun erkenne ich deine Augen. Das satteste grün, dass ich je gesehen habe. Genau genommen, das einzige grüne Augenpaar, das ich je gesehen habe.
Blau, braun, grau oder irgendein Mischmasch, aber richtiges grün?
Ich erinnere mich nicht mehr, vielleicht verblasst auch einfach alles andere neben dir.

Im Moment traue ich mir sogar das zu, dass ich alles vergleichbare lösche, damit du einzigartig erscheinst.

„Nein, kurz vor Ladenschluss ist die Auswahl meist recht karg.“ Klang das jetzt zu sarkastisch? Das war gar nicht meine Absicht. „Heute war aber auch besonders viel los“, füge ich daher noch schnell hinzu. Wow, Rekord! Soviel habe ich noch nie zu dir gesagt.

„Mein Fehler, sonst packt mich aber auch nicht zweimal am Tag die Sucht“, gibst du grinsend zurück.
Ich weiß, es liegt mir auf der Zunge, doch ich verkneife es mir. Woher soll ich es auch genau wissen? Vielleicht gehst du ja noch in einer anderen Bäckerei fremd?
„Ich war nur grad auf dem Heimweg und irgendwie ... Hm, ich nehm ...“ Dein Blick fällt auf meine Finger, sofort unterbinde ich ihren Tanz um die Zange. „Sorry, du willst bestimmt zumachen, oder? Und ich mach hier so ein Theater.“

„Quatsch, lass dir Zeit“, winke ich ab.

„Ich nehme den Spitzkuchen.“ Ich muss zufrieden grinsen, als ich das Gewünschte einpacke.

„Was?“, erkundigst du dich. „Ist das so komisch?“

„Nein, aber vorhersehbar“, rutscht es mir heraus. Ich flirte hier doch nicht etwa wirklich mit einem Kunden, oder?

Doch das tust du Lennis, ermahne ich mich selbst und bin froh, dass es ansonsten niemand mitbekommt.

„Ach?“

Ich werde rot. Ich merke es ganz genau, wie die Hitze erst meinen Nacken emporkriecht und es sich schließlich in meinen Wangen gemütlich macht.

„Ich mein, du kommst jeden Tag her. Bei Stammkunden merkt man sich so was“, versuche ich mich herauszureden, aber so wirklich zu glauben, scheinst du mir nicht. Erwiderst aber nichts darauf, sondern musterst mich nun.
Offen, so wie du es noch nie getan hast. „Macht eins zwanzig“, beeile ich mich, lege die Tüte auf die Theke und lenke dich somit ab.

Und wieder, bereits zum dritten Mal an diesem Tag, durchbrichst du dein Muster, du reichst mir das Geld und legst es nicht wie sonst in die kleine Ablage.

Kurz berühren sich unsere Finger, ein sanftes Streifen Haut an Haut.

Mein Mund ist plötzlich staubtrocken und nun befürchte ich ernsthaft, so etwas peinliches zu tun, wie das Geld fallen zulassen, bringe es dann aber doch sicher in die Kasse.

„Okay, wenn das so ist, brauch ich beim nächsten Mal ja gar nichts mehr zu sagen. Wenn du mir auch so meine Wünsche von den Augen ablesen kannst“, erwiderst du frech. „Also dann bis morgen früh.“

„Vier Brötchen“, nicke ich und muss leicht grinsen.

„Zwei“, korrigierst du mich. „Vier nur, wenn du auch mitisst.“ Nun wirst du leicht rot um die Nase und ich mit Sicherheit ebenfalls.

„Was?“, bring ich verwirrt heraus.

„Naja, ich hab immer vier genommen, mit der Absicht, dich mal zum Frühstück einzuladen. Vor allem sonntags, da hat der Laden ja auch nicht so lange auf. Spätes Frühstück vielleicht?“ Ein Schulterzucken. „Aber…“

„Aber?“

„Ich hab mich nicht getraut“, gibst du zu und wieder verziehen sich deine Lippen zu diesem niedlichen schiefen Lächeln. „Also morgen nur zwei Brötchen.“

„Nein, vier“, bin ich es nun, der dich korrigiert.

Einen Moment siehst du mich an, bis dein Gesicht plötzlich zu strahlen scheint ehe du den Laden verlässt.
Ein neues Lächeln, ein Lächeln, dass ich bis dahin noch nie gesehen habe. Mein Lächeln! Nur für mich. Ganz allein für mich. 
Und ich liebe es, dieses Lächeln, mit dem du mein Herz eingefangen hast. Dieses Lächeln, das du mir hoffentlich morgen bei einem gemeinsamen Frühstück wieder schenken wirst.






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Morgen geht es dann bei Janine weiter...